Behandlungsfehler des behandelnden Arztes

Diagnosefehler

Diagnose bedeutet das Erkennen einer Krankheit.

Fehler in der Diagnose können dadurch auftreten, dass der Arzt

a) die für die Diagnosestellung notwendigen Befunde nicht oder nur unzureichend erhebt

oder

b) aus den erhobenen Befunden die falschen Schlüsse zieht.

Befunde werden nicht oder unzureichend erhoben

Der Arzt hat den Patienten persönlich zu untersuchen und zu seiner Krankengeschichte und seinen Beschwerden zu befragen (Anamnese). Aus den geschilderten Symptomen hat der Arzt zu schließen, welche weiteren Befunde zu erheben sind. Unterlässt er dies, so kann darin ein Behandlungsfehler liegen. Ein mehrdeutiges Krankenbild hat er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln moderner Untersuchungstechnik aufzuklären.

So darf der Arzt beispielsweise eine Fraktur (Bruch des Knochens) nicht ausschließen, ohne zuvor den Patienten röntgenologisch untersucht zu haben. Als weitere Beispiele aus der Rechtsprechung zu einem Behandlungsfehler wegen unterlassener Diagnostik sind zu nennen:

  • eine Unfallverletzung wird nicht auf eine Wundinfektion untersucht,
  • trotz wiederholter Krampfanfälle eines Kindes wird nicht auf eine Hirnhautentzündung untersucht,
  • trotz monatelanger Heiserkeit wird der Möglichkeit eines Kehlkopfkarzinoms nicht nachgegangen,
  • während der Schwangerschaft unterbleibt eine Ultraschalluntersuchung,
  • während der Geburt wird kein CTG geschrieben.

Falsche Schlussfolgerungen aus Befunden

Trotz Erhebung aller notwendigen Befunde kann es geschehen, dass der Arzt die tatsächlich bestehende Krankheit nicht entdeckt und eine Fehldiagnose stellt. Aus dem Wesen des Arztvertrages als Dienstvertrag (siehe die vorherigen Kapitel) kann hieraus nicht zwingend auf einen Behandlungsfehler geschlossen werden. Es gilt zu bedenken, dass einerseits verschiedene Krankheiten durchaus die gleichen Symptome aufweisen können und andererseits jeder menschliche Körper in scheinbar ein und derselben Situation anders reagiert. So können abnormale Blutwerte der Ausdruck völlig unterschiedlicher Krankheiten sein. Es kann dem Arzt zum Beispiel auch nicht als Diagnosefehler vorgeworfen werden, wenn eine bestehende Schwangerschaft bei einer Minderjährigen übersehen wird, wenn diese dem Arzt nichts vom Ausbleiben der Regelblutung und von sexuellen Kontakten erzählt hat.

Ein fundamentaler, zur Haftung des Arztes führender Diagnoseirrtum liegt nach der Rechtsprechung hingegen vor, wenn

  • trotz eindeutiger Anzeichen eine bakterielle Infektion nicht erkannt wird,
  • eine Hüftgelenksentzündung nicht erkannt wird und stattdessen auf "Hexenschuss" behandelt wird,
  • ein Orthopäde auf eine Venenentzündung behandelt und einen akuten embolischen Gefäßverschluss nicht erkennt,
  • trotz des eindeutigen Ergebnisses einer histologischen Untersuchung eine Krebstherapie nicht oder nicht zeitnah eingeleitet wird.