Der Arzthaftungsprozess

Streng zu unterscheiden sind die zivilrechtlichen und die strafrechtlichen Folgen eines ärztlichen Behandlungsfehlers:

Soll die strafrechtliche Verurteilung des Arztes wegen fahrlässiger Körperverletzung oder gar fahrlässiger Tötung erreicht werden, so ist eine Strafanzeige zu erstatten (siehe dazu den Strafrecht-Ratgeber).

In dem vorliegenden Kapitel geht es hingegen ausschließlich um die möglichen zivilrechtlichen Ansprüche des Patienten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Hat ein Patient den Eindruck durch einen ärztlichen Behandlungsfehler in seiner Gesundheit beeinträchtigt worden zu sein, so empfiehlt es sich wegen der Kompliziertheit der Materie dringend, frühzeitig einen auf Arzthaftungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu beauftragen.

Bei einer bestehenden Rechtschutzversicherung sollte abgeklärt werden, ob diese in Anspruch genommen werden kann.

Der beauftragte Rechtsanwalt wird zunächst versuchen, die Angelegenheit außergerichtlich zu klären.

Um die objektiven Umstände festzustellen wird der Patient bzw. sein Anwalt als erstes sein Recht auf Einsicht in die Krankenunterlagen (die ärztliche Dokumentation) wahrnehmen. Auf Kosten des Patienten können Kopien der Unterlagen gefertigt werden, ein Anspruch auf Herausgabe der Originalunterlagen besteht indes nicht.

Sodann kann ein Privatgutachten in Auftrag gegeben werden, um festzustellen, ob dem Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen ist und dieser ursächlich für eine gesundheitliche Beeinträchtigung gewesen ist. Nachteilig für den Patienten ist, dass er zum einen die Kosten für dieses Privatgutachten zunächst allein zu tragen hat und zum anderen das Gericht im Falle eines späteren Prozesses nicht an die Feststellungen des Privatgutachters gebunden ist.

Ein Kassenpatient kann stattdessen auch seine Krankenkasse einschalten, die über ihren medizinischen Dienst den Sachverhalt kostenfrei überprüfen lässt.

In der Praxis weitverbreitet ist die Anrufung der Schlichtungs- oder Gutachterstellen der Landesärztekammern. Alle Landesärztekammern (Anschriften über www.bundesaerztekammer.de ) unterhalten solche "Gutachterkommissionen", die - besetzt mit Juristen und Ärzten aus dem jeweiligen Fachgebiet - kostenfreie Gutachten zu der Frage erstellen, ob ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt.

Keine Gutachten werden erstattet zu der Frage, ob ein Aufklärungsfehler des Arztes vorliegt, auch enthalten die Gutachten keine Aussagen über die Höhe eines eventuell zu zahlenden Schadensersatzes oder Schmerzensgeldes

Die Gutachten der Schlichtungsstellen haben indes keine bindende Wirkung, sondern nur empfehlende Bedeutung. Dies bedeutet, der Patient kann trotz negativen Ausgangs des Schlichtungsverfahrens noch Klage vor dem Zivilgereicht erheben. Umgekehrt kann der Arzt bzw. die hinter ihm stehende Haftpflichtversicherung trotz positiven Gutachtens die Regulierung ablehnen.

Kommt es zu keiner außergerichtlichen Einigung kann der betroffene Patient vor dem Zivilgericht Klage erheben.

Zu beachten ist, dass dies vor Ablauf der Verjährungsfrist geschehen muss. Diese beträgt im Regelfall drei Jahre.

Die Frist beginnt zu laufen, wenn der Patient von den Umständen, auf denen der Anspruch beruht, Kenntnis erlangt hat oder sich jedenfalls in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe Kenntnis von den Umständen hätte beschaffen können. Bei diesen "Umständen" handelt es sich z.B. um die Tatsache, dass eine ärztliche Behandlung fehlerhaft erfolgt sein könnte und wer dafür haftet. Die Verjährungsfrist beginnt aber immer erst am 31.12. des Jahres zu laufen, in dem die Umstände bekannt worden sind.

Bis spätestens 31.12.2010 muss daher die Klage des Patienten bei Gericht eingegangen sein, ansonsten sind seine Ansprüche verjährt.

Hat der Patient zunächst keinen Verdacht, dass die ärztliche Behandlung fehlerhaft gewesen sein könnte und ihm deshalb Schadensersatzansprüche zustehen, beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen. In diesen Fällen tritt wegen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Verjährung aber spätestens nach 30 Jahren ein.

Da der Streitwert in Arzthaftungsprozessen regelmäßig mehr als 5.000 € beträgt, ist das Landgericht zuständig, für beide Seiten besteht daher der Zwang, sich durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen.

In aller Regel wird das Gericht im Rahmen des Verfahrens sodann einen Sachverständigen beauftragen, der in einem schriftlichen Gutachten feststellt, ob ein Behandlungsfehler des Arztes vorliegt und ob dieser zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung bei dem Patienten geführt hat. Dies geschieht auch dann, wenn bereits zuvor ein Privatgutachten oder ein Gutachten einer Schlichtungsstelle eingeholt worden ist.

Das Ergebnis dieses gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens ist von entscheidender und ausschlagebender Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits.

Zu gerichtlichen Sachverständigen werden zumeist Professoren von Universitätskliniken oder Chefärzte anderer großer Kliniken bestellt.

Die in dem Sprichwort "eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" zu Tage tretende Skepsis, der vom Gericht bestellte Sachverständige werde aus falsch verstandener Kollegialität dazu neigen, einen Behandlungsfehler eines ärztlichen Berufskollegen zu vertuschen erscheint zumindest in der heutigen Zeit unberechtigt. Die Erstattung eines "falschen" Sachverständigengutachtens verstößt gegen die Berufsordnung der Ärzte und hat für den Gutachter strafrechtliche und zivilrechtliche Folgen.

Nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens wird der Sachverständige sein Gutachten im Regelfall in der mündlichen Verhandlung näher erläutern, die Parteien des Prozesses haben dabei die Möglichkeit, den Sachverständigen weiter zu befragen.

Kommt es zu keinem Vergleich, entscheidet das Gericht durch Urteil. Zu beachten hat das Gericht dabei die hier dargestellten Regeln über die Beweislastverteilung und Beweiserleichterungen.

Die Führung eines Arzthaftungsprozesses ist mit erheblichen finanziellen Risiken verbunden. Geht der Prozess verloren, so hat die unterlegene Partei die Kosten des eigenen Anwalts, die Kosten des Anwalts der Gegenseite, die Gerichtskosten sowie die Kosten für die Einholung des Sachverständigengutachtens (meist mehrere tausend Euro) zu tragen.

Die Höhe der Anwalts- und Gerichtskosten richtet sich dabei nach dem Streitwert, das ist der Betrag, den der klagende Patient als Schadensersatz und Schmerzendgeld fordert.

Der Verlierer der ersten Instanz hat die Möglichkeit gegen das Urteil Berufung zum Oberlandesgericht einzulegen. Bei Zulassung der Revision durch das OLG oder erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde steht als dritte Instanz die Revision zum Bundesgerichtshof offen.

Wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung ganz oder zum Teil aufzubringen, kann als besondere Form der Sozialhilfe auf Antrag "Prozesskostenhilfe" (kurz auch PKH genannt) bewilligt bekommen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat.
Je nach den wirtschaftlichen Verhältnissen kann die Prozesskostenhilfe mit einer bestimmten "Eigenbeteiligung" in Form einer Ratenzahlungsverpflichtung oder völlig kostenfrei bewilligt werden.